Liebe Börsianerinnen und Börsianer,
kennen Sie eigentlich Ihr Erbgut? Wahrscheinlich nicht, denn das deutsche Gendiagnostik-Gesetz schließt willkürliche Untersuchungen der eigenen Erbinformationen aus. Solche Tests bedürfen generell eines konkreten Anlasses, also einer Diagnose. Ferner darf der Test nur unter enger fachärztlicher Aufsicht und Betreuung eines Humangenetikers stattfinden.
Sergej Brin – einer der Google-Gründer – hatte ganz offenbar besseren Zugang zu gentechnischer Analyse. So weiß er, dass er irgendwann in den nächsten Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an Parkinson erkranken wird. Seitdem treibt der Mann wie noch nie in seinem Leben Sport. Damit kann er die statistische Wahrscheinlichkeit, an der Schüttellähmung zu erkranken, um rund 60 % reduzieren.
Keine Frage, die Humangenetik rettet Leben, vor allem bei Brutkrebs. Wenn der nämlich auf einem Defekt der Gene BCRA1 und 2 beruht, werden zielgerichtet bestimmte Medikamente verabreicht, die die Heilung enorm begünstigen. Beruht der Krebs hingegen auf anderen Faktoren, wählt der behandelnde Arzt eine andere Therapie.
Noch ein Praxisbeispiel: Spinale Muskelatrophie (Muskelschwund) ist eine angeborene neurologische Erkrankung. Säuglinge bzw. Kleinkinder, die davon betroffen sind, können beispielsweise nicht selbstständig sitzen. Diese Kinder hatten in der Vergangenheit kaum das dritte Lebensjahr geschafft. Wird der Muskelschwund hingegen per Gentest sauber diagnostiziert, wird mittlerweile ein Präparat verabreicht, das in die RNA (Ribonukleinsäure) eingreift, sodass der Körper das fehlende Eiweiß zur Unterstützung der Muskeltätigkeit wieder herstellt. In der Folge sinkt die Sterblichkeit um 63 %, viele Kinder entwickeln sich anschließend nahezu normal.
Die Grundlage dieses erfreulichen medizinischen Fortschritts ist die Entschlüsselung des Genoms, also des menschlichen Erbgutes. Seit Mitte der 90er Jahre beherrscht die Forschung diese Technologie. Wird das Erbgut etwa einer Nutzpflanze untersucht, spricht man von der sog. Agrigenetik. Auch das mindestens ein kleiner Gegenwarts- und Zukunftstrend.
Die Forschung und Entwicklung ist schon lange aus den Kinderschuhen heraus. Natürlich, der Weg bis zum ganz großen Durchbruch der Humangenetik ist noch weit, wie das Beispiel des Sergej Brin zeigt. Eine präventive Behandlung der Parkinson-Krankheit ist zurzeit noch nicht möglich.
Trotzdem sind die Verheißungen genbasierter Diagnose und Therapie ganz enorm. Es geht letztlich um eine neue Form der Präzisionsmedizin, die künftig beispielsweise eine verbesserte Krebsprävention und -therapie ermöglichen soll. Schlagworte sind hier z.B. die Genschere oder die sog. DNA-Sequenzierung.
Die Unternehmensberatung McKinsey zählt die Verfahren des „Bio-Engineering“ gemeinsam etwa mit Angewandter Künstliche Intelligenz oder Smart Mobility zu den 11 großen Megatrends der Zukunft. Und diese Zukunft hat jetzt schon begonnen, wie ich Ihnen in dieser Woche nur in Börse am Mittag erklären werde.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander von Parseval
Analyst und Vermögensberater