Lieber Börsianer,
“Es ist entweder Wasser oder es ist kein Wasser. Und wir wissen genau, dass es kein Wasser ist.”
So äußerste sich der CEO eines kleinkapitalisierten Biotechnologie-Unternehmens in einer Hotelsuite während der J.P. Morgan Healthcare Konferenz.
Er bezog sich auf das revolutionäre Krebsmedikament seines Unternehmens, welches sich gerade in klinischen Studien befand. Seine Botschaft war klar: Das Medikament wirkt.
Der Geschäftsführer, ein Absolvent von Harvard, war voller Energie und Charisma. Ich war überzeugt von ihm und seinem Unternehmen.
Zu jener Zeit begann ich gerade über Biotech-Aktien zu berichten. Ich stand am Anfang meiner Karriere. Das Medikament zielte auf eine besonders schwer behandelbare Krebsart ab.
Ich hoffte nicht nur, dass das Medikament den Patienten helfen würde, sondern auch, dass meine Leser von einem frühen Investment profitieren würden.
Zwar konnten meine Leser tatsächlich einen kleinen Gewinn erzielen, aber nach dem anfänglichen Kurssprung begann die Aktie zu sinken und ich empfahl die Aktie wieder zum Verkauf.
Ich war zwar enttäuscht davon, dass der erhoffte große Gewinn ausblieb, aber immerhin blieb ich meiner Strategie treu und riet zum Verkauf, als der Stopkurs erreicht wurde.
Und das war gut so.
Denn der Geschäftsführer hatte recht – das Medikament war tatsächlich kein Wasser.
Es war schlichtweg Gift.
Die Daten der klinischen Phase-2-Studien zeigten nicht nur, dass das Medikament den Krebs nicht bekämpfte, sondern auch, dass Patienten, die das Medikament einnahmen, eine höhere Sterblichkeitsrate aufwiesen.
Man kann sich vorstellen, was als Nächstes geschah. Nicht nur wurde die Hoffnung der Patienten auf Heilung im Keim erstickt, auch der Aktienkurs stürzte daraufhin drastisch ab. Der Kurs fiel von etwa 15 US-Dollar auf unter 1 US-Dollar und die Aktie wurde schließlich wertlos.
Das Ganze geschah, wie gesagt, zu Beginn meiner Tätigkeit in der Biotech-Berichterstattung, vor etwa 15 Jahren. Daraus habe ich drei wertvolle Lektionen gelernt.
Lektion 1: Schärfen Sie Ihr Gespür für Übertreibungen
CEOs von börsennotierten Unternehmen sind in ihren Aussagen oft zurückhaltend, besonders in Bezug auf ihre Produkte – das gilt in besonderem Maße für Biotech- und Pharmaunternehmen. Sie geben in der Regel wieder, was Studien zeigen und haben natürlich eine positive Haltung.
Doch sie werden ein Medikament nicht als sicher und wirksam bezeichnen, bevor die zuständigen Überwachungs- und Zulassungsbehörden nicht ihr Einverständnis geben.
Die Selbstsicherheit, mit der dieser Geschäftsführer über sein Medikament sprach, hätte mich skeptisch machen müssen.
Wenn ein Biotech-CEO sich allzu selbstsicher über ein Medikament äußert, das sich noch in den Phasen der klinischen Studien befindet, sollte man vorsichtig sein.
Lektion 2: Die Daten im Blick behalten
Es ist essenziell, die Daten aus klinischen Studien richtig zu interpretieren. Nur weil ein Medikament in einer frühen Phase der klinischen Studie eine hohe Wirksamkeit zeigt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass es auch in den späteren Phasen der klinischen Studie erfolgreich sein wird.
Sie sollten daher Ihre Erwartungen nicht zu hoch ansetzen, bis eine umfangreiche und belastbare Studie durchgeführt wurde. Viele Medikamente, die in frühen Phasen der klinischen Studie vielversprechende Ergebnisse lieferten, konnten den Erwartungen in den späteren Phasen der klinischen Studie nicht gerecht werden.
Lektion 3: Bleiben Sie Ihrer Strategie treu
Ich habe immer strikt meine Handelsstrategie eingehalten. Wenn ein Stopkurs erreicht wird, verkaufe ich unabhängig von meiner persönlichen Meinung hinsichtlich der Aktie. Das bedeutet nicht, dass ich vielleicht später nochmal nach einer besseren Gelegenheit zum Kauf suche.
Aber der Stop wird von Beginn an gesetzt und nicht erst zu einem Zeitpunkt, an dem möglicherweise die Emotionen überkochen.
Es ist zu einfach, Ausreden zu finden und zu rechtfertigen, warum man in einer Aktie investiert bleiben sollte. Insbesondere dann, wenn man einen Verlust nicht realisieren möchte.
Stops nehmen Emotionen aus dem Trading. Das Setzen dieser Stops ist das Wichtigste, was Sie tun können, um Ihre Ergebnisse zu verbessern.
Halten Sie sich an Ihre Stops.
Die Kosten des Lernens
Jeder macht in seiner Karriere Fehler und zahlt gewissermaßen „Lehrgeld“. Auch ich bin da keine Ausnahme.
Zum Glück war dieser spezielle Fehler damals nicht allzu kostspielig. Aber die daraus gewonnenen Lektionen prägten meine Investitions- und Handelsstrategie – insbesondere im Biotech- und Pharmasektor.
Wenn also das nächste Mal ein Geschäftsführer über sein Unternehmen spricht, hinterfragen Sie kritisch, ob die Aussage wirklich Substanz hat.
Ist sie zu selbstsicher oder zu übertrieben, sollten Sie vorsichtig sein und gegebenenfalls Abstand nehmen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Investieren,
P.S.: Die Veröffentlichung eines neuen Börsendienstes ist ein wenig wie die Geburt des ersten Kindes oder Enkelkindes – aufregend und emotional. Das Redaktions-Team des AnlegerVerlages hat viel Herzblut in Jim Rickards Special Situations Trader gesteckt. Sehen Sie sich sein neues Video zum Thema Währungskriege hier an. Jim Rickards hilft Ihnen beim Schutz Ihres Vermögens.