Morgen ist EZB-Sitzung. Und was EZB-Präsident Draghi in der um 14:30 Uhr beginnenden Pressekonferenz sagen wird, ist wichtiger, als viele Anleger im Vorfeld denken. Da können Nuancen den DAX senkrecht nach oben oder nach unten treiben. Und es kann die Tendenz für Wochen, womöglich für den ganzen Sommer 2016, entscheiden.
Es ist zwar richtig, dass man nicht mit weiteren Zinssenkungen oder einer erneuten Aufstockung der Anleihekäufe rechnet. Aber umso wichtiger wird sein, was Draghi zur Einschätzung der aktuellen Lage und den Perspektiven sagt. Da kann es dann auf jedes Komma ankommen. Und diesmal ist es auch wichtig, zwischen den Zeilen zu lesen, denn:
Bislang keine Wirkung!
Das Wachstum kommt nicht in Gang. Gestern wurde für April der vierte Rückgang beim deutschen Einzelhandelsumsatz in Folge gemeldet. Und gerade heute blieben die Einkaufsmanager-Indizes für die Eurozone farblos und indizierten: Es geht nichts voran. Aber das muss es. Denn ohne eine Belebung des Wachstums steigen die Unternehmensgewinne nicht, die ja bekanntlich eine der wichtigsten Grundlagen für einen soliden Aufwärtstrend am Aktienmarkt sind. Und das Ziel, die Inflation wieder zu beleben, sie in den Bereich der von der EZB gewünschten zwei Prozent zu heben, wird ebenso nicht erreicht, denn ohne eine steigende Nachfrage lassen sich die Preise nicht anheben. Und das bedeutet:
Obwohl die EZB im März sogar noch mehr getan hat als man erwartet hatte, indem sie die Zinsen auf allen drei Ebenen gesenkt und zugleich das Volumen des Anleihekaufprogramms deutlich angehoben hat, rührt sich die Konjunktur in der Eurozone nicht. D.h. bislang ist weder ein faktischer noch ein psychologischer Effekt in Form steigenden Optimismus – der ja auch viel bewegen könnte – zu erkennen. Wie wird die EZB damit umgehen?
Richtige Wortwahl = Fortsetzung der Rallye
Wird man die ausbleibenden Ergebnisse verschweigen? Oder betonen, dass solche Maßnahmen eben ihre Zeit brauchen um zu wirken? Mit solchen Sprüchen wird man die Investoren nicht dazu bringen, weiter einzusteigen. Mario Draghi ist dazu verurteilt, Optimismus zu erzeugen, die Anleger bei der Stange zu halten. Muss es da nicht fast mit Andeutungen daherkommen, es könnte in Kürze noch mehr „billiges Geld“, sprich noch mehr Stützung für den Anleihemarkt und noch niedrigere Zinsen, geben?
Diese stunde, in der die EZB-Pressekonferenz morgen stattfinden wird, die Zeit zwischen 14:30 und 15:30 Uhr, kann Weichen stellen. Beim DAX lässt der Schwung momentan nach. Die Anleger haben ihren Teil zu einem bullishen Sommer erst einmal geliefert. Jetzt ist die EZB dran. Schafft sie es, zwischen den Zeilen Goldgräberstimmung zu erzeugen, geht die Rallye des DAX weiter. Über 10.500, vielleicht über 10.800 Punkte. Gelingt ihr das nicht, könnten wir uns die 10.000er-Marke sehr schnell wieder von oben ansehen. Wir analysieren morgen diese Pressekonferenz unmittelbar nach deren Ende!