Das gestern um 20 Uhr veröffentlichte Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung wurde sogar vom Chef der regionalen US-Notenbank in St. Louis, James Bullard, als „nicht aufschlussreich“ bezeichnet. Und es bewegte die US-Aktienmärkte weitaus weniger als die zur Abwechslung mal gefallenen US-Öllagerbestände (siehe „Märkte im Überblick“). Warum also sollte man darüber noch ein Wort verlieren?
Weil gerade dieser Mangel an klaren Aussagen ein Grund zur Sorge ist. Überlegen Sie mal: Da steht drin, worüber die Mitglieder des FOMC, des Federal Open Market Committee, des Entscheidungsgremiums der mächtigsten Notenbank der Welt, geredet haben, bevor sie sich dann entschieden haben, zumindest anzudeuten, Zinserhöhungen kurzfristig nicht vorzunehmen. Da muss doch mehr zu finden sein als Uneinigkeit und leere Worthülsen, ansonsten haben wir da ein Problem!
ERSTAUNT ÜBER REAKTION AUF EIGENE AUSSAGEN
Bullard beispielsweise ließ gestern vom Stapel, es sei ihm unerklärlich, warum die Märkte nun eine flachere Zinskurve einpreisen würden. D.h. er versteht nicht, warum die Andeutungen und Signale der US-Notenbank, im laufenden Jahr tendenziell weniger Zinsanhebungen vorzunehmen, dazu geführt haben, dass die Marktteilnehmer die Zinserwartung niedriger ansetzen. Beeindruckend. Als würde sich jemand wundern, dass er nass wird, wenn es regnet.
Darüber hinaus ist dieses Protokoll an sich ein Spiegel der scheinbar ewigen Uneinigkeit der Ausschuss-Mitglieder, insbesondere was grundsätzliche Vorgehensweisen und die Art und Weise angeht, wie man die Wirtschaftsdaten zu interpretieren habe. Und so waren am Ende zwar die meisten Mitglieder dafür, in der nächsten Sitzung Ende April nun keine weitere Leitzinserhöhung zu planen, andere aber würden dies tun, wenn die anstehenden Daten das befürworten, wobei einige die Inflation als Messlatte für eine rigidere Zinspolitik auf dem Vormarsch sehen, andere wiederum nicht.
HÖCHST „VARIABLE“ MESSLATTEN
Wenn man da noch bedenkt, dass ausgerechnet die beiden entscheidenden Größen, nach denen die US-Notenbank die Lage beurteilt und daran ihre Maßnahmen ausrichtet, konkret die US-Arbeitsmarktdaten und die Inflation, leicht zu „beeinflussen“ sind, indem man an den statistischen Grundlagen so lange herumschraubt, bis einem das Ergebnis in den Kram passt, wird einem bange.
So liegt die Arbeitslosigkeit in den USA zwar angeblich bei fünf Prozent. Aber sogar das US-Arbeitsministerium selbst veröffentlicht auch eine weiter gefasste Zahl, die bei zehn Prozent liegt, in den Medien aber nie erwähnt wird. Und was die Inflation angeht, kennen wir das ja aus eigener Erfahrung. Wir haben zwar keine Inflation, aber immens vieles wird immer teurer. Nur fällt das statistisch nicht ins Gewicht, wenn man den der Teuerungsrate zugrunde liegenden Warenkorb und die Gewichtung der einzelnen Elemente in ihm passend gestaltet. Denn dann bekommt man genau die Inflationsrate, die ins Konzept passt. Doch die Unternehmen und die Verbraucher leben eben in einer Welt, die nicht durch solche statistischen Spielereien bestimmt ist. Eine US-Notenbank, die immer wieder beweist, dass sie jede Bodenhaftung verloren hat, ist ein Risiko.
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