Die US-Öllagerbestände waren zuletzt wieder gestiegen, obwohl viele Trader darauf gebaut hatten, dass der erstmalige Rückgang der Bestände in der Woche zuvor eine Wende einleiten würde. Die zeitweise schon als „sicher“ propagierte Einigung über eine Deckelung der Fördermenge durch die OPEC scheiterte nun am Sonntag auch noch. Eigentlich müsste der Ölpreis wie in einem defekten Fahrstuhl nach unten sausen. Doch die anfänglichen Verluste, die als Reaktion auf das gescheiterte OPEC-Meeting am frühen Morgen auftraten, werden zumindest zur Stunde wieder aufgeholt. Wieso? Weil hier die kurzfristigen Trader das Geschehen dominieren. Und da war man mehrheitlich Long und will entscheidende charttechnische Unterstützungsmarken nicht kampflos aufgeben.
Und Trader mögen auf externe Impulse wie Lagerbestände und OPEC-Treffen kurzzeitig auch reagieren, aber in erster Linie geht es ihnen um charttechnische Marken. Der Chart zeigt, worum momentan gerungen wird: Es ist die 20-Tage-Linie, d.h. der gleitende Kurs-Durchschnitt der letzten 20 Handelstage, den man verteidigen will. Für viele kurzfristige Akteure ist das eine Linie, die entscheidet, ob man tendenziell Long oder Short sein sollte. Am Morgen noch schien diese Linie verloren und der Weg frei zu sein an die markante Unterstützung um 37,75 US-Dollar, wo Dezember-Tief und ein Zwischenhoch vom Januar eine markante Unterstützung bieten. Knapp darunter, bei 37,30 US-Dollar, wäre dann die Januar-Aufwärtstrendlinie der letzte charttechnische Halt vor einem Anlauf an die Jahrestiefs gewesen. Aber die Bullen wehren sich, wie Sie im Chart sehen: Zur Stunde ist diese 20-Tage-Linie zurückerobert, das Minus, am frühen Morgen noch bei über sechs Prozent, auf nur noch zwei Prozent zusammengeschmolzen.
BLEIBT ROHÖL STARK, BLEIBT AUCH DER DAX STARK
Es wäre durchaus denkbar, dass es gelingt, den Ölpreis vor einer Wende nach unten zu bewahren, wenn diese Entschlossenheit der bullishen Trader dazu führt, dass diejenigen, die nun denken, eine klare Baisse-Chance bevor sich zu haben, umschwenken. Und das kann bedeuten, dass die Indizes am Aktienmarkt nun ebenfalls wieder zulegen, nachdem sie den Tag schwächer begonnen hatten. Denn nichts hält sich länger als eine eigentlich absurde Denkweise … vorausgesetzt, sie „funktioniert“.
In den letzten Wochen und Monaten setzte sich die Argumentation durch, dass steigende Ölpreise Beleg eines wieder dynamischer werdenden Wirtschaftswachstums weltweit seien. Denn je stärker das Wachstum, desto höher die Energienachfrage, desto höher der Ölpreis. Was durchaus stimmen würde, wüsste man nicht eigentlich, dass das kurzfristige Auf und Ab bei Rohöl durch die Aktivitäten der kurzfristigen Trader bestimmt wird und nicht durch die eigentliche Nachfrage nach Rohöl selbst. Außerdem ignoriert man bei dieser Denkweise, dass das Wachstum gebremst wird, wenn die Energiekosten wegen steigenden Ölpreisen zunehmen. Aber solange dieses Schema funktioniert, wird man es beibehalten, was bedeutet:
Sollte Rohöl Brent diesen negativen Einfluss durch die gescheiterte OPEC-Konferenz überstehen und tatsächlich auch heute über der 20-Tage-Linie schließen, wäre das auch für kurzfristige Akteure am Aktienmarkt ein Anreiz, einzusteigen oder zuzukaufen und somit eine potenzielle Basis, den aktuell um die 10.000er-Marke ringenden DAX über seine entscheidenden Widerstandmarken, vor allem über die 200-Tage-Linie (siehe „Marktüberblick“) zu tragen!
Jetzt kostenlos für Börse am Mittag anmelden!