Vor einem Jahr noch war Griechenland in aller Munde. Was dort passiert, kann die Eurozone zerreißen, hieß es. Zum einen, weil das Ringen um Lösungen die Uneinigkeit des Staatengebildes deutlich machte. Zum anderen, weil die Probleme des Landes die Schwachpunkte der Eurozone aufdeckten. Griechenland ist heute immer noch Mitglied der Eurozone, womit viele nicht gerechnet hätten. Und die Krise ist längst aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch so wird nur suggeriert, dass das Thema vom Tisch sei. Die Krise wurde gezielt verdrängt und vergessen. Aber nicht beendet. Daran erinnern uns Aussagen des IWF (Internationaler Währungsfonds), die im Wochenverlauf auf den Tisch kamen:
DAS LAND BRAUCHT EINE BASIS, UM SICH ZU STABILISIEREN
Der IWF kommentierte die momentanen strittigen Verhandlungen mit der Aussage, dass Griechenland durchaus imstande wäre, seine Schulden abzutragen, dies aber momentan voraussetze, dass man Kredite zu sehr günstigen Konditionen vergebe und darüber hinaus eine lange Phase ohne Schuldendienst, also ohne Rückzahlungen, gewährt werde.
Hintergrund dieser Aussagen: Griechenland ist aufgrund der geforderten Nonstop-Reformen und der gleichzeitigen Rückzahlungsforderungen älterer Kredite wirtschaftlich zu schwach, um aus eigener Kraft wieder in ein ausreichendes Wachstum zu erreichen, das imstande wäre, diese Belastungen zu schultern, ohne dadurch immer wieder in eine Situation gebracht zu werden, in der man erneut Kapital zuschießen muss. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müsste man das Land schnell und gezielt stärken. Das ist nicht nur logisch, sondern auch zwingend. Doch wenn man sich überlegt, wie viele Jahre vergangen sind, ohne dass die EU imstande gewesen wäre, diese Krise zu beenden, stellt sich natürlich die Frage, ob man jetzt wirklich bereit ist, die eigene Vorgehensweise zu hinterfragen und ggf. den Kurs zu ändern.
VON WACHSTUM KEINE SPUR
Der griechische Aktienmarkt hat auf Sicht der letzten 12 Monate die Hälfte seines Kurswertes verloren. Selbst nach der Einigung im letzten Sommer ging es weiter abwärts. Das Bruttoinlandsprodukt gibt weiter nach. Die Arbeitslosenrate ist vom Hoch von 28 Prozent in 2013 aktuell gerade mal auf 24 Prozent gesunken. Die Industrieproduktion hat sich stabilisiert, ist aber von einer Erholung weit entfernt, zumal die Auftragseingänge aktuell dramatische 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen.
Griechenland ist ein Problem, das aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Aber wie so manches, was unter den Teppich gekehrt wurde, schmort auch dieser Aspekt dort für viele unsichtbar weiter. Natürlich hat eine rosa Brille den Vorteil, für gute Laune zu sorgen. Aber ein besonnener, erfahrener Anleger nimmt sie oft genug ab, um sich auch über die Risiken im Klaren zu sein, die er bei seinen Dispositionen eingeht. Griechenland bzw. die Probleme der Eurozone, Probleme zu lösen, gehören dazu.
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