Die US-Notenbank schaut in die falsche Richtung

Sehr geehrter Leser,

wie ist die aktuelle Verfassung der Wirtschaft? Die kurze Antwort lautet: Nicht gut. Im nachfolgenden möchte ich Ihnen diese Aussage begründen.

Es gibt buchstäblich Hunderte von Wirtschaftsindikatoren, die täglich veröffentlicht werden. Sie basieren entweder auf Fundamentaldaten oder auf Stimmungsumfragen. Für Analysten ist es unmöglich, jeden einzelnen Indikator auszuwerten und in die Betrachtung einfließen zu lassen.

Aber mit Hilfe von Computern und entsprechender Analysesoftware ist es möglich, breite Trends zu verfolgen. Das Wichtigste für jeden guten Analysten ist, sich auf eine Teilmenge von Daten zu konzentrieren, die die größte Prognostizierbarkeit besitzt und eine lange Datenhistorie vorweisen kann.

Ebenso wichtig ist zu wissen, ob Indikatoren vor-, gleich- oder nachlaufend sind.

Ein nachlaufender Indikator kann zwar ein Maß für die Entwicklung eines Stimmungsbildes sein, aber bis dieser Indikator Werte liefert, hat eine Rezession bereits begonnen. Die Ergebnisse kommen also zu spät, um reagieren zu können und die negative Entwicklung aufzuhalten.

Gleichlaufende Indikatoren sind nützlich, um zu bestätigen, was vorlaufende Indikatoren angezeigt haben, aber sie bringen keinen Marktvorteil.

Die wertvollsten Indikatoren sind natürlich die vorlaufenden Indikatoren. Sie liefern sechs Monate und manchmal sogar ein ganzes Jahr vorher Signale, ehe Probleme auftreten. Diese Indikatoren gilt es am genauesten zu beobachten, wenn man im Voraus gewappnet sein möchte.

Die Fed hinkt hinterher

Aus nicht ganz klaren Gründen ist die Federal Reserve von nachlaufenden Indikatoren besessen. Dies erklärt zum Teil, warum die von ihr verfolgte Geldpolitik immer falsch ist. Die US-Notenbank strafft die Geldpolitik, nachdem eine Rezession bereits begonnen hat, was die Rezession verschlimmert. Sie lockert die Geldpolitik, wenn Aufschwünge im Gange sind und vergrößert damit die Vermögensblasen.

Denken Sie nur an den Börsencrash von 1929, die Tequila-Krise von 1994, die Russland-LTCM-Krise von 1998, den Zusammenbruch der Dotcom-Blase im Jahr 2000 und die Hypothekenblase 2007. In jedem dieser Fälle werden Sie eine schlecht getaktete Geldpolitik vorfinden.

Die beiden größten Fehler bei der Interpretation von Wirtschaftssignalen durch die Fed betreffen Arbeitslosigkeit und Inflation. Die Fed betrachtet niedrige Arbeitslosigkeit als Zeichen wirtschaftlicher Stärke und als Quelle der Inflation.

Die Arbeitslosenquote ist jedoch ein nachlaufender Indikator. Wenn Unternehmen sinkende Verkaufszahlen, geringere Gewinne und wachsende Lagerbestände sehen, werden sie alles Mögliche unternehmen, um Kosten zu senken. Einschließlich der Stornierung neuer Aufträge, dem Abverkauf von Waren, der Durchführung von Verkaufsaktionen und dem Schließen von Betriebsstätten und Büroräumen.

Erst wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, um den Abwärtstrend zu stoppen, beginnen die Eigentümer damit, Mitarbeiter zu entlassen. Bis die Arbeitslosenquote steigt, hat die Rezession also bereits begonnen.

Die Inflation wird keine Antworten liefern

Die Inflation ist ein weiterer irreführender Indikator. Sie ist für sich genommen bedeutsam, hat aber keine Korrelation zum Konjunkturzyklus. In den frühen 1960er Jahren hatten wir eine niedrige Inflation und starkes Wachstum. In den späten 1970er Jahren hatten wir eine hohe Inflation und schwaches Wachstum. In den späten 1990er Jahren hatten wir eine moderate Inflation und starkes Wachstum. In den 2010er Jahren hatten wir eine niedrige Inflation und geringes Wachstum.

Sieht hier jemand eine Korrelation? Es gibt keine. Wirtschaftswachstum und Inflation sind empirisch nicht korreliert. Wir können uns darauf einigen, dass Inflation schlecht ist (obwohl Deflation in anderer Hinsicht genauso schlecht ist). Aber die Inflation sagt uns nichts über die Aussichten für das Wirtschaftswachstum.

Die Idee, dass niedrige Arbeitslosigkeit zu Inflation führt (was die Obsession der Fed mit Arbeitslosigkeit und Inflation verbindet), ist ein Artefakt der diskreditierten Phillips-Kurve, die von Bernanke und Yellen geliebt und von Powell aufgrund der schlechten Ratschläge von Fed-Ökonomen befolgt wird.

Warum das so ist, ist eine Debatte für einen anderen Tag. Fürs Erste genügt es zu wissen, dass die Fed an zwei Indikatoren festhält, die keinen Vorhersagewert haben. Es handelt sich dabei um nachlaufende Indikatoren. Deshalb hinkt die Geldpolitik der Fed immer hinter der Wirtschaft her und führt sie nie an.

Schauen Sie nach vorn, nicht zurück

Was sind die Frühindikatoren?

Mehrere aussagekräftige Frühindikatoren sind recht offensichtlich. Sie sind leicht zugänglich und haben ausgezeichnete Erfolgsbilanzen als prädiktive Analysewerkzeuge. Das Problem ist, dass verhältnismäßig wenige Analysten von ihnen gehört haben und noch weniger wissen, wie man sie interpretiert.

Nachfolgend werde ich Ihnen drei Frühindikatoren auflisten und Ihnen erläutern, wie diese zu interpretieren sind.

Eine invertierte Renditekurve bei Staatsanleihen

Eine Renditekurve setzt sich aus Renditen von Staatsanleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten zusammen. Der Markt für US-Staatsanleihen ist der größte und liquideste der Welt. US-Staatsanleihen haben praktisch kein Kreditrisiko, daher spiegeln die Renditen den Zeitwert des Geldes, Inflationserwartungen und Liquiditätspräferenzen wider.

Eine Renditekurve steigt im Normalfall an, was bedeutet, dass längere Laufzeiten höhere Renditen aufweisen. Das ergibt Sinn. Wenn ich Ihnen Geld für 10 Jahre leihen werde, möchte ich in der Regel einen höheren Zinssatz als wenn ich Ihnen Geld für sechs Monate leihe.

Derzeit ist die Renditekurve der US-Staatsanleihen stark invers. Das bedeutet, dass längere Laufzeiten tatsächlich niedrigere Renditen als kürzere Laufzeiten aufweisen.

Die 10-jährige US-Staatsanleihe rentiert bei rund 3,4 %, die 2-jährige US-Staatsanleihe bei rund 4,0 %, während die 3-monatige US-Staatsanleihe bei rund 5,4 % rentiert. Das letzte Mal, dass die Renditekurve der US-Staatsanleihen so invers war, war – richtig geraten – Mitte 2007 und Anfang 2008, kurz vor der globalen Finanzkrise.

Wenn Anleger niedrigere Renditen bei längeren Laufzeiten akzeptieren, dann erwarten sie, dass die Renditen aufgrund einer Rezession oder Finanzkrise stark sinken werden.

Eine invertierte Eurodollar-Zinsstrukturkurve

Es mag etwas esoterisch sein, aber eine invertierte Zinsstrukturkurve beim Eurodollar ist ein noch besserer Frühindikator als die Renditekurve der US-Staatsanleihen. Eurodollar-Zinssätze sind im Grunde genommen kurzfristige Zinssätze, die große Banken einander für auf Dollar lautende Bankeinlagen zahlen.

Anleger können Futures-Kontrakte auf diese Zinssätze bis zu fünf Jahre im Voraus kaufen, obwohl die ein- bis zweijährigen Kontrakte am aktivsten gehandelt werden. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um langfristige Wetten auf kurzfristige Zinssätze.

Diese Kontrakte werden als Prozentsatz des Nennwerts, der bei 100 liegt, gehandelt. Je niedriger der Preis, desto höher die Rendite. Derzeit notiert der Eurodollar-Futures-Kontrakt für Juni 2023 bei rund 94,6 %. Der September-Kontrakt notiert bei rund 95,0 %. Der Dezember-Kontrakt notiert bei rund 95,3 %.

Auch wenn es nicht viel erscheinen mag, aber der Preis steigt mit zunehmender Laufzeit. Das bedeutet, dass die Marktteilnehmer darauf wetten, dass die kurzfristigen Zinssätze sinken werden. Das ist eine weitere rezessionsbedingte Wette. In einer Rezession werden die Zinssätze voraussichtlich sinken.

Diese inverse Zinsstrukturkurve beim Eurodollar war zuletzt 2007 und 2008 vor dem Crash zu sehen.

Negative Swap-Spreads

Anleihenhändler kaufen langfristige Anleihen und finanzieren diese mittels sogenannter Repogeschäfte. Durch dieses Vorgehen erhalten Sie den Kupon, also den Zins der Anleihe und zahlen den variablen Zinssatz für das Repogeschäft.

Dieser Handel kann auch in derivativer Form über einen Zinsswap abgeschlossen werden. Dem Käufer des Swaps wird ein fester Zinssatz vom Vertragspartner garantiert. Gleichzeitig zahlt der Käufer demselben Vertragspartner einen variablen Zinssatz.

Der Swap entspricht im Wesentlichen dem Besitz der Anleihe mit zwei Unterschieden:

Es wird keine Anleihe gehandelt, sondern es handelt sich lediglich um einen Vertrag zwischen zwei Parteien.

Die Parteien tragen das Kreditrisiko des jeweiligen Vertragspartners, während bei einer US-Staatsanleihe das Kreditrisiko praktisch nicht vorhanden ist.

Daraus folgt, dass die Festzinszahlung im Swap leicht über der Festzinszahlung der tatsächlichen Anleihe liegen sollte, um das Kreditrisiko im Swap zu berücksichtigen. Genau das ist aber derzeit nicht der Fall. Die Festzinsen auf Zinsswaps liegen deutlich unter der Rendite von US-Staatsanleihen.

Liegt das daran, dass die Händler Zinsswaps mehr vertrauen als US-Staatsanleihen? Überhaupt nicht. Es liegt daran, dass der Swap keine Bilanzkapazität verbraucht, während die tatsächliche US-Staatsanleihe dies tut. Ein weiterer Grund dafür ist, dass US-Staatsanleihen knapp sind, während Swaps in unbegrenzten Mengen emittiert werden können.

Beide Faktoren sind Anzeichen für extrem straffe Geldbedingungen, die zu Rezessionen führen.

Es gibt auch andere technische monetäre Indikatoren, die in dieselbe Richtung weisen. Darüber hinaus gibt es eine Flut von Fundamentaldaten aus nicht monetären Kanälen, einschließlich rückläufigem Welthandel, rückläufiger Industrieproduktion, fallenden Hauspreisen, rückläufigen Verbraucherkrediten, rückläufigen Reallöhnen und vielen anderen Indikatoren, die alle auf eine Rezession hindeuten.

Die Rezession kommt also definitiv und ist möglicherweise schon da, wie diese Frühindikatoren zeigen. Die Fed wird das allerdings als Letzter mitbekommen, weil sie im Rückspiegel auf nachlaufende Indikatoren schaut.

Machen Sie sich bereit für eine Rezession und erwarten Sie nicht, dass die Fed Ihnen hilft, diese kommen zu sehen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Jim Rickards

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